**** 1970. Deep Purple hatten sich gerade neu erfunden indem sie mit "Deep Purple in Rock" auf einen neuen harten Rockkurs gesetzt hatten, der, laut Interview, die Stärken aller Bandmitglieder berücksichtigte.<br>Und genau das kann man hier in sehr unterschiedlicher Ausprägung genau nachvollziehen. Denn es sind eben jene neuen Stücke, die auf "Scandinavian Nights" glänzen.<br>SPEED KING zeigt, wie kraftvoll die Band hier zu Werke geht, wobei die Nummer noch nicht ganz die volle Intensität anderer Stücke entfaltet.<br>Das ändert sich schlagartig bei INTO THE FIRE. Besonders Roger Glover treibt die Nummer nach vorne. Aber auch CHILD IN TIME kommt hier so kraftvoll an, wie ich es von keiner anderen Aufnehme her kenne.<br>WRING THAT NECK verliert sich leider in zu viel Improvisationen Blackmores.<br>PAINT IT, BLACK ist im Grunde nur ein Schlagzeugsolo. Und obwohl Paicey ein hochgeschätzter Könner unter den Schlagwerkern ist, kann mich das Solo aus Stockholm nicht besonders begeistern. PAINT IT, BLACK ist ein Bolero. Warum also spielt Ian Paice kein Solo über den Bolerorhythmus? Auch kann ich dem Rhythmus nicht durchgehend folgen. Ein Manko, das viele Drummer in ihren "beeindruckenden" Soli zeigen.<br>MANDRAKE ROOT vom zweiten Studioalbum der Band ist, wie andere Titel hier, solistisch überdehnt und verliert daher rasch an Spannung. Ritchie Blackmores Exzesse nerven auf Dauer zunehmend.<br>Das für damalige Verhältnisse relativ kurz gehaltene BLACK NIGHT schließt das Konzert gelungen ab.<br><br>Für viele mag es eine Freude sein, der Band so beim Improvisieren zuzuhören. Ich finde aber, das die Songs einfach zu lang geraten sind. Bei SPEED KING ergehen sich Jon Lord und Ritchie Blackmore noch in Call & Response Soli. Doch danach spielt meistens jeder für sich. Da mag Mr. Blackmore es ja für witzig empfinden ständig irgendwelche Snippets zu spielen (von Jingle Bells über God Save the Queen), doch mir als Zuhörer entgeht der Wert dieser Reminiszenzen. Noch weniger sehe bzw. höre ich den Vorteil von minutenlangen Lärmorgien bei aufgerissenem Verstärker und hundertfach wiederholten Noten. Wenn ein Song von ursprünglich vielleicht viereinhalb Minuten auf 30 Minuten aufgebläht wird, dann sollten auch 30 Minuten Spannung vorhanden sein. Und überhaupt, wird durch die massiven Improvisationsanteile, das Konzert aus Stockholm zu einem in überwiegenden Teilen instrumentales Konzert, bei dem Ian Gillan nur noch eine Nebenrolle zu haben scheint. Allerdings sind die Momente in denen er am Konzert partizipiert schlicht brillant. <br>Von daher kann ich für die Songs aus Stockholm lediglich (oder immerhin) 5 Sterne vergeben.<br><br>Völlig anders sieht das bei den Bonusstücken aus.<br>CD 2 bringt nochmal WRING THAT NECK und MANDRAKE ROOT aus Paris des selben Jahres zu Gehör. Beider Versionen sind deutlich kürzer als die aus Stockholm. Seltsamerweise gefallen sie mir aber auch nicht besser, da sie nichts an der wenig vorhandenen Ideenvielfalt ändern. <br>Ein zusätzliches Interview mit Jon Lord (und womöglich anderen Bandmitgliedern) ist für Nichtengländer nur schwer zu verstehen und bringt insgesamt auch nur wenig Erkenntnisgewinn.<br><br>Außerdem beinhaltet die Ausgabe von 2014 noch eine DVD mit einer Liveaufnahme des Granada TV von 1970. Warum aber, werden hier drei von vier Songs nicht in Gänze gezeigt? Außer bei CHILD IN TIME stiegt man mitten in einem Solo ein und bringt nur den letzten Refrain in die Öffentlichkeit. Das ist schlicht eine Frechheit! Genauso wie die Tatsache, dass der Regisseur nicht wusste, was einen Musikfan interessiert. Ich möchte nämlich bei einem Solo den Solointerpreten sehen und mitbekommen, wie er sein Instrument spielt. Mich interessiert dann nicht der lustlos auf seinen Bongos herumtrommelnde Ian Gillan, oder ein Mensch im Publikum, sondern der Solist.<br><br>Am Ende hat der Käufer dieses Albums zwar mehr Musik bekommen als beim Originalrelease, aber besser ist damit nicht gefahren. Daher auch nur vier Sterne. |