| ***** Gewagt, doch ich glaube man kann sagen, dass Deep Purple Alben ab 1970 von der breiten Masse immer abwechslungsweise als erfolgreich/weniger erfolgreich, kult/untergegangen, Klassiker/Füllwerk aufgenommen werden.<br>"In Rock" ist ein Überhammer, da sind sich alle einig. "Fireball" war für viele eine Enttäuschung (für mich persönlich jedoch nicht), "Machine Head" ist DER Klassiker, "Who do we think we are" ist der tragische Mk II loser, "Burn" liess wieder aufhorchen, "Stormbringer" wird heute noch weitgehendst verschmäht. So kann man das sehen, muss man aber nicht, und gerade die "kleineren" Werke von Deep Purple sollte man sich zur Brust nehmen und erkennen, welche Qualitäten sie in sich bergen.<br><br>"Who do we think we are" hatte schon bei den Vorbereitungen, Proben und Studiosessions einen schweren Stand. Zwar nahm man sich genügend Zeit um das Album zu lancieren, doch innerhalb der Band herrschte eine eiserne Kälte, weitgehendst grosses Schweigen und eine schier unglaubliche Spannung - auch die On Stage Performaces sollen eher mässig, mit wenig Substanz und ziemlich routiniert gewesen sein zu der Zeit. Ausnahme bilden da sicher die 3 Japan-Konzerte vom August 1972, die dann später als "Made in Japan" konserviert den Weg in unzählige Haushalte gefunden haben und eine Reunion in Sachen Live-Alben lostraten und bis heute kaum zu toppen ist.<br><br>Aber wir sind jetzt im Frühling 1973 als "Who do we think we are" erschien...<br>Ian Gillan hatte bereits im Dezember 1972 seinen Ausstieg für Ende Juni des Jahres 1973 angekündigt - so verwundern gewisse Texte auf diesem Album nicht sonderlich: "Super trouper" widerspiegelt seine Gefühlssituation und offenbart eine grosse Enttäuschung und Niedergeschlagenheit. Unendliches Touren und Streitereien mit vor allem Ritchie Blackmore haben den Sänger ausgelaugt und gebrochen.<br>Trotz all den Unstimmigkeiten, den Problemen und negativen Haltungen innerhalb der Band, gelang es Deep Purple nochmals ein verhältnismässig gutes bis teilweise sehr gutes Album abzuliefern - das letzte der echten Mk II Besetzung.<br><br>Gestartet wird fantastisch mit dem Klassiker "Woman from Tokyo", das geschrieben wurde, bevor Purple die legendären "Made in Japan" Konzerte absolvierten, und das die Vorfreude auf Japan zum Ausdruck bringen soll. Der Paice-Groove in diesem Stück ist unglaublich, das Blackmore-Riff holt ebenfalls das Maximum raus (später als "Might just take your life" ähnlich aufgewärmt), Glover fügt sich gekonnt ein, Lord soliert nicht ausschweifend, doch pointiert und Gillan setzt dem Song mit seiner kraftvollen, rauen Stimme die Krone auf. Wunderbarer Start also.<br>Bereits im textlich zornigen "Mary Long" (Mary Whitehouse, die Moralisten, muss dran glauben) jedoch weicht diese Offensivpower einer Relaxtheit. Mit dem Lärm von "In Rock" hat dieser zahme, jedoch melodiös wunderbare Rock nicht mehr viel zu tun. Gute Melodie, dichtes Songwriting - aber halt etwas brav, angepasst.<br>Dass es auch anders geht, zeigt "Smooth dancer", in dem sich Gillan mit Herrn Blackmore oberdeutlich und emotional auseinandersetzt, gekonnt auf. Einer der Toptracks aller Mk II Songs - meiner bescheidenen Meinung nach. Wunderbar zornig, aggressiv und laut! Gillan kritzelte und sang den Song in Abwesenheit von Blackmore auf bzw. ein. Allgemein wurden die Sessions ziemlich einzelgängerisch gehalten, so dass oft jeder Musiker allein im Studio stand.<br>"Rat bat blue" wird von einem typischen Blackmore-Alleskönner-Riff eingeleitet und greift auf, was 1971 als "Slow train" in der Versenkung verschwand. Auch Jon Lord brilliert hier in detaillierter Genialität. Einer der Killer des 1973er Albums.<br>Das einfühlsame "Our lady" hingegen ist sehr soft und melancholisch, sowie untypisch simpel gehalten - nicht jedoch schwach. Tragend schöner Song, wirklich wunderbar gemacht. Klar, Songs dieser Art haben auf zB "In Rock" kein Zuhause gefunden, da es eher in den spät 60ern verwurzelt scheint; einer Zeit, der man anno 1970 keine Aufmerksamkeit schenken wollte, sich gar davon distanzierte.<br><br>7 Song beinhaltet "Who do we think we are" - darunter auch den schlechtesten, langweiligsten Song, den Purple bis dato aufgenommen haben - ein im beschwingten Part sehr an Led Zeppelin erinnernden Blues-Rocker; "Place in line". Wirkt auf mich gekünstelt und unpassend für Purple. Selbst "Burn" oder "Stormbringer", die von einer Bluesstimme - David Coverdale - geprägt sind, hat keinen solch abgedroschenen Song zu bieten. "Place in line" ist nicht nur ein musikalischer Tiefpunkt, nein, es ist das Minimum an Kreativität und zeigt auf, dass eine geschwächte Band halt nicht immer und ausschliesslich in der Lage ist 100% zu geben.<br><br>"Who do we think we are" wird durch einen kraftvollen Grundgroove getragen, den die Band dem wenig später gefeuerten Bassisten Roger Glover zu verdanken hat, der Ian Paices grundsolide Arbeit stets zu verstehen und unterstützen vermochte.<br>Es ist ein tragisches Album, sicher kein schlechtes, das eine ausgezerrte Band aufzeigt, die DRINGENDST mal Ruhe gebraucht hätte. Das Managerduo stopfte den Tourplan immer wieder schonungslos voll - nicht auszudenken was passiert wäre, wenn die Band mal etwas Ruhe hätte finden können und anstelle eines Splits im Mk II Line-Up ein weiteres Album aufgenommen hätte. Zwar verehre ich "Burn" und es rangiert bei mir in den Top 3 von Deep Purple, doch einem ausgeruhten, relaxten weiteren Mk II-Album hätte ich jederzeit den Vortritt gegeben!<br><br>So bleiben mit "Woman from Tokyo", dessen "hippiger" Mittelteil wie eine Sonne dies doch eher düstere Album erhellt und im Gedächtnis wiederkehrt und stets ein gutes Gefühl transportiert, "Smooth dancer", "Rat bat blue" und "Mary Long" mindestens 4 Supersongs zurück, die das Potenzial der entkräftigten, zerstrittenen Band aufzeigen. Andere Gruppen schaffen solche Songs nicht annährend in entspannter, freundschaftlicher Atmosphäre - so betitelt Jon Lord das Ende der 70er Mk II Aera auch treffend als "Biggest shame in Rock n Roll ever"! Last edited: 19.02.2011 14:32 |
| **** 1973 kriselte es bei Deep Purple, die Mark 2 Besetzung stand kurz vor ihrem Ende. Irgendwie hört man das auf Who Do We Think We Are auch heraus. Das Album klingt weniger wie das Werk einer kraftvollen, intakten Einheit sondern vielmehr wie eine Routinearbeit, der Abgesang einer Supergruppe. Was aber nicht heißen soll, daß Wo Do We Think You Are schlecht wäre. Ganz im Gegenteil, hier gibt es einige interessante musikalische Ansätze, die auf Machine Head gefehlt haben. Das Album beginnt gleich mit einem Knaller und zwar mit dem als Single (in gekürzter Form) ausgekoppelten Woman From Tokyo. Das Intro erinnert ein wenig an die Hits Strange Kind Of Woman und Never Before, ist aber erfreulich vielseitig abgewandelt. Das Stück geht in einen vitalen Powerrock, unterbrochen von einem wirklich starken melodiösen Mittelteil, über, der zeigt, wieviel Pfeffer noch in der Gruppe steckt. Der anfängliche Schwung ist bei Mary Long gleich wieder dahin. Das Stück bietet Deep Purple wie gehabt: gut gespielt, fällt aber nicht weiter auf. Gut geraten ist der schleppende Rocker Super Trouper, der mit kleinen Effekten durchsetzt ist. In mehreren gab es Super Trouper auch als Single. Smooth Dancer kann man in die gleiche Kategorie wie Mary Long einordnen, ebenso wie Rat Bat Blue. Der Bluesrocker Place In Line kann nur streckenweise überzeugen, zumal Ian Gillan hier ziemlich blaß wirkt, wie überhaupt die Gesangspassagen wenig überzeugen. Gut und packend ist das Stück nur in seinen Instrumentalpassagen. Jenseits von gut und böse ist Our Lady, ein solider Rocker ohne große Höhepunkte. Im großen und ganzen ist Who Do We Think We Are ein solides Album, das aber gemessen an seinen Vorgängern nicht sonderlich auffällt, weil es nicht gerade mit Höhepunkten gesegnet. Bis auf Woman From Tokyo und Super Trouper fällt es auch nicht weiter auf. Wer Deep Purple aus ihrer besten Zeit einmal kennenlernen möchte, der sollte auf keinen Fall dieses Album als Einstieg benutzen. |